Über dieses Buch

Lorenz Fries und die Fries-Chroniken

Lorenz Fries (1489/91 – 1550), Sekretär, Kanzleivorstand, Archivar, Rat und Reichstagsgesandter unter den Würzburger Fürstbischöfen Konrad von Thüngen (1519-1540), Konrad von Bibra (1540-1544) und Melchior Zobel von Giebelstadt (1544-1558), gilt als der bedeutendste fränkische Geschichtsschreiber des 16. Jahrhunderts. Seine fast ausschließlich in deutscher Sprache verfassten Werke, die aus eigener Verwaltungstätigkeit und unmittelbarer Aktenkenntnis erwuchsen, sind eine wichtige Quelle für die Geschichte der Stadt und des Hochstifts Würzburg in Mittelalter und früher Neuzeit.

Die Würzburger Bischofschronik, die in ihrem von Fries autorisierten Kern von den Anfängen bis 1495 reicht, wurde darüber hinaus jedoch bis ins 18. Jahrhundert hinein von verschiedenen Fortsetzern bis in die jeweilige Zeitgeschichte fortgeführt. Ca. 180 Exemplare kann die Forschung heute noch nachweisen, wobei von einer großen Dunkelziffer weiterer, nicht mehr erhaltener Handschriften auszugehen ist. Nicht zuletzt wegen ihrer Anlage als Bilderhandschrift war der "Fries-Chronik" von Anfang an große Populärität beschieden. Seit 1713 mehrfach gedruckt, gewann die Chronik in einer Bearbeitung als "Volksbuch" (1848 Druck bei Bonitas-Bauer, Würzburg, Nachdruck 1924) weite Verbreitung. Eine wissenschaftliche, auf 6 Bände angelegte Neuedition der ursprünglichen Chronik (bis 1495) wurde seit 1992 am Stadtarchiv Würzburg erarbeitet.

Ursprünglich wurden zwei Reinschriften der Fries’schen „Kernchronik“ angefertigt, ein Exemplar für den Würzburger Fürstbischof, ein zweites für das Domkapitel. Das "Domkapitel-Exemplar" blieb bis heute erhalten; es gehörte zu Beginn des 19. Jahrhunderts dem Würzburger Universitätsprofessor Carl Joseph Ringelmann, ehe es 1835 für den Historischen Verein von Unterfranken und Aschaffenburg erworben wurde. In den Sammlungen des Vereins blieb die Handschrift bis in die Zeit des Nationalsozialismus. Heute gehört sie unter der Signatur "Ratsbuch 412" zum Bestand des Stadtarchivs Würzburg. Das Exemplar des Bischofs wurde am 22. Februar 1572 beim Brand des Südflügels der Festung Marienberg zerstört. An seiner Statt ließ Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn ein neues, prächtig illustriertes Exemplar anfertigen, die heute unter der Signatur M.ch.f.760 in der Universitätsbibliothek aufbewahrte und hier digital präsentierte Handschrift. Sie gehört zu den am schönsten illustrierten Fries-Chroniken.

Das „Echter-Exemplar“

Für das hier vorliegende „Echter-Exemplar“ erbat Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn 1574 das Domkapitelexemplar der Fries-Chronik als Vorlage. Der Plan scheint groß angelegt gewesen zu sein: Der Kopist sollte unter besonderen Sicherheits- und Geheimhaltungsbedingungen arbeiten. Zusätzlich zum Domkapitelexemplar wurde mindestens noch eine weitere Textvorlage ("alter exemplar", " concept") herangezogen, die miteingearbeitet wurde. Form und Ausstattung der Handschrift sollten das Prestige des fürstbischöflichen Auftraggebers widerspiegeln und die Kopiervorlagen übertreffen. Inwieweit zugleich das Aussehen des verbrannten Bischofs-Exemplars nachgeahmt werden sollte, ist offen.

Der Text der ursprünglichen, bis 1495 reichenden Fries-Chronik wurde von einem professionellen Kanzleischreiber kopiert, dessen Hand sich auch z.B. in Würzburger Domkapitelsprotokollen der 1570er Jahre wiederfindet. Die Anfertigung der Buchmalereien zog sich jedoch hin. Die zunächst beauftragten Künstler wurden 1581/82 durch den renommierten Nürnberger Illuminator Georg Mack ersetzt. Doch auch er brachte die Chronik-Ausarbeitung nicht zum Abschluß. Die Handschrift blieb unvollendet. Nach mehreren Reklamationen scheint das Domkapitelexemplar 1584 zurückgegeben worden zu sein; es geriet erneut in andere Hände und war noch 1594 nicht wieder im Besitz des Kapitels.

Das Echter-Exemplar indes wurde zur Gebrauchshandschrift und ging durch mehrere Hände. Neben Julius Echter selbst scheinen Kanzleiangehörige die Abschrift benutzt zu haben. Nachträge, Randbemerkungen und Korrekturen zeugen von intensiver Auseinandersetzung mit dem Text. Weitere, kursiver und nachlässiger schreibende Hände (fols. 527ff., 534ff., 555ff.) ergänzten den Berichtszeitraum um ein gutes halbes Jahrhundert bis 1546, wohl in Anlehnung an die Chronik-Bearbeitung des Johann Reinhart. Heute ist gerade der unvollendete, individuelle Charakter der Handschrift nicht ohne Reiz: nicht nur die Arbeitsprozesse der Handschriftenproduktion werden exemplarisch nachvollziehbar, sondern auch der praktische Umgang mit Geschichtsschreibung im 16. Jahrhundert. Die Handschrift ist kein totes Prunkstück, sondern spiegelt die lebendige Auseinandersetzung mit dem Werk des Lorenz Fries.

Literatur

Mälzer, G.: Die Würzburger Bischofschronik des Lorenz Fries: Textzeugen und frühe Überlieferung. Würzburg 1987. (Mainfränkische Hefte 84)

Bünz, Enno: Der Würzburger Dompräsenzmeister Johann Reinhart und seine Bearbeitung und Fortsetzung der Fries-Chronik. In: Wagner, U. (Hrsg.): Lorenz Fries (1489-1550). Würzburg 1989. S. 89-105

Mälzer, G.: Die Fries-Chronik des Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn: eine fränkische Prachthandschrift des 16. Jahrhunderts aus dem Bestand der Universitätsbibliothek Würzburg; Codex M.ch.f.760. Würzburg 1989.

Wagner, U. / Ziegler, W. (Hrsgg.): Lorenz Fries: Chronik der Bischöfe von Würzburg 742-1495. 6 Bde. Würzburg 1992-2004.

Heiler, Th. Die Würzburger Bischofschronik des Lorenz Fries (gest. 1550). Würzburg 2001


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