Das "Echter-Exemplar"

Für das hier vorliegende „Echter-Exemplar“ erbat Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn 1574 das Domkapitelexemplar der Fries-Chronik als Vorlage. Der Plan scheint groß angelegt gewesen zu sein: Der Kopist sollte unter besonderen Sicherheits- und Geheimhaltungsbedingungen arbeiten. Zusätzlich zum Domkapitelexemplar wurde mindestens noch eine weitere Textvorlage ("alter exemplar", " concept") herangezogen, die miteingearbeitet wurde. Form und Ausstattung der Handschrift sollten das Prestige des fürstbischöflichen Auftraggebers widerspiegeln und die Kopiervorlagen übertreffen. Inwieweit zugleich das Aussehen des verbrannten Bischofs-Exemplars nachgeahmt werden sollte, ist offen.

Der Text der ursprünglichen, bis 1495 reichenden Fries-Chronik wurde von einem professionellen Kanzleischreiber kopiert, dessen Hand sich auch z.B. in Würzburger Domkapitelsprotokollen der 1570er Jahre wiederfindet. Die Anfertigung der Buchmalereien zog sich jedoch hin. Die zunächst beauftragten Künstler wurden 1581/82 durch den renommierten Nürnberger Illuminator Georg Mack ersetzt. Doch auch er brachte die Chronik-Ausarbeitung nicht zum Abschluß. Die Handschrift blieb unvollendet. Nach mehreren Reklamationen scheint das Domkapitelexemplar 1584 zurückgegeben worden zu sein; es geriet erneut in andere Hände und war noch 1594 nicht wieder im Besitz des Kapitels.

Das Echter-Exemplar indes wurde zur Gebrauchshandschrift und ging durch mehrere Hände. Neben Julius Echter selbst scheinen Kanzleiangehörige die Abschrift benutzt zu haben. Nachträge, Randbemerkungen und Korrekturen zeugen von intensiver Auseinandersetzung mit dem Text. Weitere, kursiver und nachlässiger schreibende Hände (fols. 527ff., 534ff., 555ff.) ergänzten den Berichtszeitraum um ein gutes halbes Jahrhundert bis 1546, wohl in Anlehnung an die Chronik-Bearbeitung des Johann Reinhart. Heute ist gerade der unvollendete, individuelle Charakter der Handschrift nicht ohne Reiz: nicht nur die Arbeitsprozesse der Handschriftenproduktion werden exemplarisch nachvollziehbar, sondern auch der praktische Umgang mit Geschichtsschreibung im 16. Jahrhundert. Die Handschrift ist kein totes Prunkstück, sondern spiegelt die lebendige Auseinandersetzung mit dem Werk des Lorenz Fries.


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